Du planst deinen Jakobsweg und kannst es kaum noch abwarten? Dann verrate ich dir jetzt all die Dinge, die garantiert in keinem der schillernden Reiseführer zum Jakobsweg stehen. Bist du bereit? Dann machen wir uns auf die Socken! Buen Camino, nicht wahr?

1.Deine Füße hassen dich

Ok, das ist noch recht banal. Man läuft sehr viel, ist vielleicht etwas ungeübt darin und schon tun die Füße weh. Das kennen die meisten bereits, wenn sie mal eine längere Shoppingtour hinter sich gebracht haben. Außerdem berichten viele Pilger von ihren schmerzenden Füßen. Doch eins sei gewiss, was immer sie dir erzählt haben, was immer du in den schlauesten Pilgerratgebern lesen wirst, es kommt nicht an das heran, was du tatsächlich spüren wirst.

Deine Füße werden nicht nur zwei, drei Tage am Anfang der Pilgerreise weh tun. Nein, sie werden von Anfang bis Ende schmerzen. Beim Laufen auf dem Camino, beim Warten auf deinen Stempel, beim Sitzen auf der Toilette, beim ruhig Herumliegen in deinem Schlafsack, beim andächtigen Lauschen der Pilgermesse in der Kathedrale von Santiago de Compostela. Einfach immer.

Die Schmerzen in den Füßen werden dein ständiger Begleiter sein und wenn du Tagebuch schreibst, was so gut wie jeder Pilger tut, wirst du Seite um Seite damit füllen, wie sehr dich deine Füße plagen.

Meine Tipps gegen schmerzende Füße:

Im Grunde gibt es keinen. Sicherlich werden geübte Wanderer etwas weniger Probleme damit haben. Aber ich habe keinen kennengelernt, der nicht über Fußschmerzen geklagt hat. Gib auf deine Füße sehr gut acht, sie sind deine Basis, um überhaupt das Ziel zu erreichen. Daher empfehle ich:

  • ordentliches, gut sitzendes und wandertaugliches Schuhwerk (Wanderstiefel, die auch die Knöchel stützen)
  • regelmäßige Fußpflege während der Pilgerreise (achte auf gut geschnittene Zehennägel, wasche die Füße am Abend)
  • creme sie morgens vor dem Laufen mit einer sehr fetthaltigen Creme ein (z.B. Murmeltierfett)
  • behandle Blasen immer sofort und lasse sie nicht aufreißen (mit Nadel, hautverträglichem Desinfektionsmittel und Pflastern)
  • wechsle die Socken NICHT! (Kein Witz: Socken werden nicht gewechselt und nicht gewaschen)
  • versprich deinen Füßen, dass sie in der Heimat als erstes eine umfassende Fußmassage und Pediküre erhalten werden

2. Sehnsucht nach Einsamkeit

Wer eine Pilgerreise unternimmt, der hat meist sehr intime Beweggründe dafür. Es liegt in der Natur der Sache, dass viele Pilger religiös oder spirituell motiviert aufbrechen. Doch auch eine Sinnsuche oder ein Verarbeitungsprozess können die Gründe für die Pilgerschaft sein. Allen gemein ist jedoch, dass es eine stille und in sich gekehrte Reise ist. Wir bewegen uns nicht nur körperlich von Ort zu Ort, sondern auch geistig immer tiefer in uns hinein. Das gelingt am besten, wenn wir allein sind und so stellen sich die meisten ihre Pilgerreise auf dem Jakobsweg auch vor: der einsame Pilger irgendwo im Nirgendwo auf dem Weg durch eine bezaubernde Naturkulisse.

Die Realität sieht anders aus, ganz anders. Insbesondere die Hauptwege nach Santiago de Compostela sind sehr überlaufen. Spirituelle Wanderungen treffen den Nerv der Zeit. Die Rückbesinnung auf sich selbst im Einklang mit der Natur liegt im Trend. Besonders die letzten 100 Kilometern nach Santiago de Compostela sind in der Hauptsaison geradezu überfüllt. Es ist schwer, mal ein Stück des Weges für sich allein zu laufen und es wird der Moment kommen, wo du dich nach Einsamkeit sehnst. Schließlich hast du keine Massenwanderung bestellt, sondern wolltest im Idealfall zu dir selbst oder zu Gott oder zu beidem finden.

Auch in den Herbergen ist Privatsphäre eher Mangelware. Das Stichwort heißt Gemeinschaft. Gemeinschaftsduschen, Gemeinschaftsschlafsäle, Gemeinschaftsessen. Nicht selten nächtigen bis zu 40 Pilger in einem Schlafsaal. Lass dich darauf ein und stelle dich auf gesellige Pilgerrunden ein.

Meine Tipps für einsame Pilgerreisen:

  • Nimm die Nebenrouten: der Camino del Norte führt dich an der Küste entlang, ist zwar inzwischen auch kein Geheimtipp mehr aber lange nicht so überlaufen wie die Hauptroute. Es gibt auch noch andere Routen, z.B. über Portugal oder ganz aus dem Süden Spaniens, bei der man die ganze Strecke immer Richtung Norden pilgert.
  • Meide die Hauptsaison: in den Sommermonaten ist es besonders voll auf dem Jakobsweg, der Höhepunkt mit den meisten Pilgern liegt im August, danach flaut es langsam wieder ab. Manch ein verwegener Pilger macht seinen Jakobsweg sogar nur im Winter. Dann sind die Strecken leer, allerdings haben dann auch nicht alle Herbergen geöffnet. In diesem Fall ist etwas mehr Planung erforderlich.
  • Laufe zu Randzeiten: stelle deinen Wecker eine Stunde früher, dann hast du morgens den Camino nur für dich. Wenn du ein Morgenmuffel bist, mache es genau umgekehrt und gehe eine Stunde später los. Dann sind die anderen schon unterwegs. Beachte dabei jedoch, dass sie dann auch vor dir in den Herbergen ankommen.
  • Plane deinen Camino allein: ich weiß, es ist so verlockend, dem Jakobsweg nicht allein entgegenzutreten. Wie romantisch ist doch die Vorstellung, den Weg gemeinsam mit seinem Partner oder seiner Partnerin zu laufen. Lass es! Es ist kein Scherz, wenn es heißt, dass sich alle Paare auf dem Jakobsweg trennen. Der Weg führt dich an deine Grenzen, du bist auf dich selbst konzentriert. Auch die beste Freundin bleibt besser zuhause. Es fängt bereits mit dem Lauftempo an. Jeder hat seinen eigenen Rhythmus und es ist unmöglich, sicher über Tage und Wochen an die Geschwindigkeit eines anderen anzupassen. Das gilt sowohl, wenn man schneller laufen muss, als auch, wenn man gezwungen langsamer laufen muss. Beides wirkt sich enorm auf deine Kraftreserven aus. Nimm den Camino als das, was er ist: eine Möglichkeit, dir selbst ganz nah zu kommen und dich endlich mal richtig kennenzulernen.
  • Schließe dich nicht jeder Gruppe an: gerade zu Beginn einer Pilgerreise ist es sehr verlockend, sich anderen Pilgern anzuschließen und in der Gruppe zu laufen. Schließlich ist alles neu und ungewohnt. Von anderen Pilgern kann man lernen. Oftmals entwickeln sich dabei aber gewisse Dynamiken, sodass es schwer wird, sich von der Gruppe wieder zu lösen und plötzlich wird aus der Individualreise ein Gruppen-Event.
  • Habe Mut, auch nein zu sagen: eine neue Pilgerbekanntschaft möchte unbedingt ein paar Kilometer mit dir zusammen laufen? Das ist nett aber kein Muss. Trau dich ruhig, ehrlich zu sein und erkläre, dass du gerne ein bisschen für dich sein möchtest. Alternativ kann man sich ja später zu einem gemeinsamen Pilgermenü verabreden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Pilger sehr gesellig sind und gerne (unverbindlich) in Grüppchen laufen. Das ist aber kein Zwang und es war immer unkompliziert, Bescheid zu sagen, dass man erstmal alleine weitergeht. Der Jakobsweg ist eine persönliche Angelegenheit und das ist jedem Pilger bewusst.

Meine persönliche Meinung:

Gerade zum Ende der Pilgerreise habe ich mich immer öfter danach gesehnt, auch mal etwas mehr allein sein zu können, doch ausgerechnet auf dieser Etappe des Jakobsweges wurde es zunehmend voller. Ich bin früh gestartet, damit ich die kühlen Morgenstunden für mich sein konnte, doch spätestens zum Mittag waren immer wieder so viele Pilger unterwegs, dass es schwierig wurde, das Alleinsein zu kultivieren. Außerdem kannte man sich inzwischen. Je fortgeschrittener die Reise, desto mehr Gesichter hatte man irgendwann schon gesehen, desto mehr Gespräche hatte man geführt, desto öfter hatte man am gleichen Tisch sein Pilgermenü gegessen. Genieße das! Auf dem Camino erlebt man eine besondere Form der Gemeinschaft. Sie ist gleichermaßen großzügig wie unverbindlich. Alles kann, nichts muss. Du kannst mit einem anderen Pilger gemeinsam in der Sonne Mittagessen und doch ist es vollkommen legitim, wenn du im Anschluss alleine weitergehst, während der andere noch eine halbe Stunde entspannen möchte.

Es sind gerade diese besonderen Begegnungen, die deinen Camino erst zu dem machen, was er ist - eine absolut einzigartige und individuelle Erfahrung. Eine Welt, eine Landschaft, eine Gesellschaft, in die man mit allen Sinnen eintauchen kann.

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3. Du musst nicht in den Herbergen schlafen

Ein "echter Pilger" schläft in den Pilgerherbergen, richtig? Eigentlich nicht. Genau genommen gibt es keine "Spielregeln" für das Pilgern und das Übernachten. Es steht dir also frei, statt der Herbergen, lieber auf Hotels, Pensionen oder andere Übernachtungsmöglichkeiten zurückzugreifen. Manchmal musst du das vielleicht sogar, wenn in der Hauptsaison alle Pilgerbetten belegt sind. Fühl dich also nicht wie ein Pilger zweiter Klasse, nur weil du ab und an auf den Luxus eines Hotelzimmers zugreifst. Bedenke dabei jedoch, dass du trotzdem täglich eine der Herbergen ansteuern solltest, um dir dort deinen Stempel für deinen Pilgerpass abzuholen - eine Übernachtung in der Herberge ist dabei nicht zwingend erforderlich.

Meine Tipps für Übernachtungen auf dem Jakobsweg:

Eine bis ins Detail ausgefeilte Routenplanung ist für den Jakobsweg eigentlich nicht erforderlich. Am Ende entscheidet der Weg, wie du laufen wirst. Es geschehen so viele unvorhergesehene Dinge, dass dich eine sehr akribische Planung wahrscheinlich nur unnötig unter Druck setzt. Flexibilität ist Trumpf. Stattdessen würde ich empfehlen, dir vorab einen guten Überblick zu verschaffen, in welchen Orten es wieviele Herbergen gibt, ggf. sogar, wie viele Betten vorhanden sind. So kannst du ein Gefühl dafür entwickeln, wann du wo verweilen solltest oder ob es sinnvoll ist, noch einen Ort weiterzulaufen.

Ein aktueller Reiseführer zum Jakobsweg ist bereits eine große Hilfe und verrät dir genau, wo es sich lohnt, die Nacht zu verbringen. Nichtsdestotrotz bieten sowohl die Herbergen als auch Hotels ihre Vorteile. Am Ende liegt es ganz bei dir, wie dein Pilgerabenteuer aussehen soll. Es gibt kein besser und kein schlechter. Es ist dein Camino - du entscheidest, wie er aussehen soll.

Fakten zu den Herbergen:

  • sehr günstig, teilweise sogar nur auf Spendenbasis (alle Kosten für den Jakobsweg findest du hier)
  • keine Vorreservierung möglich (Windhund-Prinzip: Wer zuerst kommt, bekommt das Bett)
  • Gemeinschaftsschlafräume
  • oftmals Doppelstockbetten
  • häufig gemeinsames Abendessen in der Herberge möglich
  • auf der Hauptroute sehr engmaschig verteilt
  • sehr enger Kontakt zu anderen Pilgern
  • großes Gemeinschaftsgefühl

Fakten zu Hotels, Pensionen und Co.:

  • preislich deutlich teurer als Herbergen und je nachdem, was man sich vorstellt, nach oben offen
  • Vorreservierung möglich und in vielen Fällen sogar nötig (könnte auch schon von zuhause aus geplant und gebucht werden, wirkt sich dann aber auf die Laufflexibilität aus)
  • Einzelzimmer  mit eigenem Badezimmer (inklusive Dusche und ggf. Badewanne)
  • ein richtiges Bett
  • ggf. Hotelrestaurant
  • in größeren Orten immer vorhanden
  • weniger bis kein Kontakt zu anderen Pilgern
  • eher kein Gemeinschaftsgefühl
  • mehr Comfort
  • mehr Privatsphäre

Meine Empfehlung:

Auf meiner Pilgerreise habe ich ausschließlich in Pilgerherbergen übernachtet. Das lag zum einen daran, dass ich immer das Glück hatte, ein Bett zu bekommen, als auch an der schlichten Tatsache, dass mein Budget für ein richtiges Hotel einfach zu gering war. Bei der nächsten Pilgerreise würde ich eine hybride Variante offen halten. Ich habe den engen Kontakt zu den Pilgern meistens sehr genossen und würde auf diese Erfahrung nicht verzichten wollen, doch ab und zu kann es durchaus sehr reizvoll sein, für ein paar wenige Stunden aus dem "Pilgersein" auszubrechen und mir die Privatsphäre eines eigenen Hotelzimmers mit eigenem Badezimmer und einem großen Bett ohne Leiter in die obere Etage zu gönnen. Vor allem bei sehr langen Pilgerreisen über mehrere Monate würde ich das ein oder andere Hotelzimmer und vielleicht auch in besonders schönen Gegenden mehrere Nächte zum Auspannen einplanen.

4. Ein anerkannter Pilger läuft 100 Kilometer

Wie weit muss man laufen, um ein echter Pilger zu sein? Tatsächlich ist diese Frage relevant - zumindest, wenn man am Ende die Pilgerurkunde bekommen möchte. Würden wir besonders idealistisch an die Sache herangehen, dann sollte es eigentlich ganz egal sein, wie weit wir laufen. Auch Symbole, wie Muschel, Stab und Urkunde spielen eigentlich überhaupt keine Rolle. Es ist nicht das Blatt Papier am Ende, das dich zum Pilger macht, sondern schlicht die Tatsache, dass du gepilgert bist.

Allerdings ist es auch ein wunderbares Gefühl, in Santiago de Compostela anzukommen, die Oficina de peregrino zu betreten und nach all den Wochen der Fußschmerzen und Abenteuer tatsächlich die Schriftrolle in den Händen zu halten. Sie ist die offizielle Bestätigung, dass man es geschafft und das Ziel erreicht hat. Sie ist neben dem Pilgerausweis ein wertvolles Erinnerungsstück. Aber wann erhält man die Urkunde eigentlich? Und kann sie jeder haben?

Im Grunde schon. Es ist ganz egal, von wo du stammst, ob du aus religiösen oder anderen Motiven heraus gestartet bist, ob du dich Männlein oder Weiblein nennst - das ist nicht relevant. Es gibt nur eine Bedingung: die letzten 100 Kilomenter. Du musst mindestens 100 Kilometer bis nach Santiago de Compostela gepilgert sein. Eine kleine Tageswanderung von 30 Kilometern würde also nicht ausreichen, es müssen schon 100 sein.

Hinweise dazu:

  • Startpunkt Sarria: der typische Startpunkt für die "letzten 100" ist Sarria. Wer schon vorher startet, wird den Unterschied schnell merken, denn ab Sarria wird es deutlich voller. In Spanien gilt es als eine Art Initiationsritus unter Jugendlichen diese 100 Kilometer zu pilgern. Es ähnelt ein wenig einer Jugendweihe als Schritt ins Leben eines Erwachsenen.
  • Nachweis Pilgerausweis: in Santiago de Compostela schauen sie sich deinen Pilgerpass an und können so deine Laufstrecke nachvollziehen. Denke also daran, die in jeder Herberge deinen Stempel geben zu lassen. Das ist wichtig, wenn du Wert auf die Urkunde legst. Neben den Herbergen gibt es entlang des Weges immer mal wieder auch andere Möglichkeiten, einen Stempel einzusammeln. Zum Beispiel in Kirchen und Kapellen, auf Bauernhöfen oder in manchen Restaurants.
  • Fußpilger: die 100 Kilometer gelten für Fußpilger, also für diejenigen, die die gesamte Strecke laufen. Pilger, die mit dem Fahrrad oder mit dem Pferd unterwegs sind, müssen 200 Kilometer nachweisen, um die Urkunde zu erhalten.

5. Es gibt keinen offiziellen Startpunkt

Wo fängt der Jakobsweg denn nun eigentlich an? Ist es Saint Jean Pied de Port in Frankreich, wo so viele Pilger starten, ist es Sarria, wo die letzten 100 Kilometer beginnen oder doch ganz woanders? Die Wahrheit ist, es gibt keinen Anfang. Der Jakobsweg ist ein Symbol. Du kannst überall auf der Welt den Jakobsweg pilgern. Auch in Deutschland gibt es zig Jakobswege. Nur das Ziel steht fest: Santiago de Compostela und dort die Kathedrale.

Was bedeutet das für dich? Plane deinen Jakobsweg ganz nach deinen Bedürfnissen. Wenn du nur vier Wochen Zeit hast, starte nicht in Saint Jean Pied de Port, denn dafür muss mehr eingeplant werden. Wenn du dich mit bergigem Gelände schwer tust, dann beginne erst nach dem Gebirge von León. Wenn du dir ein sattes halbes Jahr Auszeit gönnst, dann starte doch schon in Schweden und mache in jedem Land, dass du durchquerst gleich noch ein wenig Sightseeing (ja, auch solche Langzeitpilger sind mir begegnet.)

Du musst dich also nicht mit der Suche nach einem offiziellen Startpunkt stressen. Es gibt ein paar Hauptrouten, die ganz besonders gut ausgebaut sind. Schau dir diese genau an und entscheide dann nach deinen individuellen Voraussetzungen, von welchem Ort auf der Strecke sind der Start lohnt.

6. Du kannst auch mit dem Pferd pilgern

Kaum zu glauben aber wahr - es ist gar nicht nötig, sich beim Pilgern die Füße platt zu treten. Auch die Pilgerwanderung hoch zu Ross ist möglich und sogar erlaubt, wenn man die Pilgerurkunde haben möchte. In diesem Fall sind statt der 100 jedoch 200 Kilometer Pilgerschaft notwendig.

Diese Art stelle ich mir besonders abenteuerlich vor. In der Tat sind mir sogar einige Reiterpilger begegnet, doch bei weitem nicht so viele wie Rad- oder Fußpilger. Ich könnte mir vorstellen, dass hier der Planungsaufwand deutlich erhöht ist und die Pilgerreise im Vorfeld gut organisiert sein muss. Schließlich wollen Pferd und Reiter immer gut versorgt sein. Einige Abschnitte der Hauptroute sind sowohl für Pferd als auch für Rad nicht geeignet, es gibt allerdings sehr gute Ausweichwege, die inzwischen auch in jedem guten Jakobswegreiseführer beschrieben werden.

7. Es gibt Bus- und Taxipilger

Eine weitere, allerdings besonders eigenwillige Spezies unter den Pilgern sind die Bus- und Taxipilger. Zu dieser Art der Pilgerreise habe ich ein sehr gespaltenes Verhältnis. Was genau ich mit den Buspilgern erlebt habe, könnt ihr im Buch "Mit Jeans und Traubenzucker - 300 Kilometer auf dem Jakobsweg" nachlesen.

Fakt ist, wer mit dem Bus (oder sogar mit dem Taxi) pilgert, trägt seinen Rucksack nicht selbst. Manche haben sogar gar keinen Rucksack, sondern einen Reisekoffer. Das Gepäck wird täglich vom Reisebus zur vereinbarten Pilgerherberge gefahren, während die Pilger dorthin laufen. Wer es nicht schafft oder mal eine Etappe aussetzen möchte, der fährt im Reisebus mit.

Solche Reisen werden inzwischen von zahlreichen Reiseagenturen im praktischen Pauschalangebot zu Hauf angeboten. An sich kann ja jeder so pilgern, wie er es für richtig hält. Fakt ist jedoch, dass immer mehr Betten in den Herbergen von Buspilgern belegt werden, während ihr komfortabler Bus direkt vor der Herberge steht. Die Pilger, die mit ihren Rucksäcken erst deutlich später eintreffen, haben dann das Nachsehen und müssen zur nächsten Herberge weiterziehen - natürlich mit ihrem Rucksack auf dem Rücken.

Inzwischen habe ich eine etwas versöhnlichere Meinung zu den Bus- und Taxipilgern. Doch während meiner eigenen Pilgerwanderung habe ich mich doch immer wieder sehr darüber geärgert. Am Ende muss jeder selbst entscheiden, was er davon hält und sich vielleicht auch einfach die Frage stellen, ob der Jakobsweg dann wirklich das richtige für einen ist oder ob nicht eine normale Wanderung in den Alpen passender wäre.

8. Jeder Pilger schummelt mindestens 1x

Hab ich gerade angedeutet, dass Buspilger keine echten Pilger sind und doch nur schummeln, wenn sie ihre Rucksäcke nicht tragen? Nun, Fakt ist, ALLE Pilger schummeln - und zwar mindestens einmal. Es gibt natürlich nur sehr wenige Regeln, was das Pilgern betrifft und manchmal muss man das ein oder andere auch mit einem Augenzwinkern betrachten. Deswegen gestehe ich hier: Von meinen 330 Kilometern bin ich 300 Kilometer gelaufen. Ja, auch ich habe einmal geschummelt. Nach einer Verletzung am Knie habe ich mir einen erneuten Abstieg vom Berg nicht zugetraut und bin die geplante Etappe mit dem Bus gefahren. Ich habe es nicht bereut. Der Bus ist so halsbrecherische Serpentinen hinabgeschlichen, dass ich überglücklich war, jetzt nicht da draußen sein zu müssen.

Die Schummelmöglichkeiten und Gründe sind vielfältig. Manche Etappen haben es in sich, sind schwer zu wandern oder extrem eintönig. Manche Pilger mögen es auch nicht, durch große Städte zu laufen, also fahren sie kurzerhand mit dem Taxi hindurch und laufen anschließend weiter. Insgesamt ist die Hauptroute auch sehr schummelfreundlich. Es fahren überall Busse oder der Zug. Auch per Anhalter ist möglich.

Eine weitere Schummelart ist der Rucksack-Service. An manchen Bergaufstiegen wird angeboten, den Rucksack hochbringen zu lassen. Das ist ebenfalls sehr verlockend, denn so kann man die Landschaft ganz besonders gut genießen und der Aufstieg wird um einiges erleichtert.

Untypisch ist es zudem, in einer Herberge länger als eine Nacht zu bleiben. Pilgerwanderungen sind kein Erholungsurlaub und man bleibt ständig in Bewegung. Die Herbergen sollen nur verhindern, dass hunderte Pilger ihre Zelte auf den Straßen aufschlafen, doch sie sollen nicht zum Verweilen einladen. Allerdings sind manche Regionen derart malerisch und besonders, dass es schwer fällt, am nächsten Tag sofort weiterzuziehen.

So erging es mir in O Cebreiro. Das winzige Dorf auf dem Gipfel des Berges hatte es mir in seiner altertümlichen Art dermaßen angetan, dass ich gerne länger geblieben wäre. Doch ich wollte in meinen Zeitplan bleiben und zog artig weiter.

Eine letzte Schummelei ist das Bettenfreihalten. Das gehört sich nicht. Auf dem ganzen Camino gilt das Windhund-Prinzip, Reservierungen gibt es nicht. Allerdings ist der ein oder andere Pilger eventuell doch einmal dazu geneigt, das Nebenbett für einen Pilgerfreund freizuhalten, weil dieser noch nicht eingetroffen ist und draußen bereits eine Horde Buspilger lauert. Wir sind eben alle keine Engel. Vielleicht pilgern wir genau deshalb.

9. Die letzten 5 Kilometer läuft man barfuß

Eine Regel, die kaum noch einer kennt und deswegen auch kaum einer mehr befolgt, lautet, dass die letzten fünf Kilometer bis nach Santiago de Compostela barfuß gelaufen werden sollen. Diese letzten fünf Kilometer beginnen am Monte de Gozo, dem Berg der Freude. Von hier aus sind die Türme der Kathedrale das erste mal zu sehen und man schaut hinab auf das wochen-, wenn nicht gar monatelang ersehnte Ziel. In Gedenken an den Heiligen Jakobus soll sich der Pilger nun die Schuhe ausziehen und mit nackten Füßen bis zur Kathedrale schreiten.

Inzwischen sieht auch die Kirche diese Regelung nicht mehr allzu ernst. Schließlich ist der Weg in und quer durch die Stadt überall asphaltiert und sicher nicht immer sauber. Mir ist kein Pilger begegnet, der sich an diese Regel gehalten hat, sie scheint einfach in Vergessenheit geraten zu sein.

10. Santiago de Compostela ist nicht das Ziel

Was soll das denn nun? Wurde nicht vorhin erst erklärt, dass es zwar keinen richtigen Start, wohl aber ein konkretes Ziel für die Pilgerwanderung gibt? Und laufen denn nicht alle nach Santiago de Compostela? Warum sollten die Kathedrale oder die Oficina de peregrino jetzt nicht das Ziel sein? Nun, formal betrachtet sind sie das, doch emotional sieht es bei vielen ganz anders aus. Du betrittst die Stadt und fühlst dich nicht angekommen, du schreitest durch das lange Kirchenschiff und es löst nichts in dir aus, du erhältst die Urkunde und doch willst du noch nicht wahrhaben, dass es das jetzt gewesen sein soll. Das große Finale bleibt aus. Nicht grundlos brechen so viele Pilger, kaum dass sie Santiago de Compostela erreicht haben, gleich danach auf zum Cap Finisterre, dem Ende der Welt.

Die wenigsten haben an ihrem letzten Lauftag mit der Reise abgeschlossen. Ich kann nur mutmaßen, woran es liegt, doch ich könnte mir vorstellen, dass eine Pilgerreise vor allem eine Reise in sich selbst ist. Dabei handelt es sich um einen Prozess und dieser ist nicht einfach in dem Moment abgeschlossen, wenn man eine Kirche betritt.

Der Prozess wird fortgesetzt, wenn wir uns das Tagebuch durchlesen, das wir all die Wochen geführt haben, wenn wir uns unsere Erlebnisse, Gedanken und Gefühle erneut und immer wieder heraufbeschwören. Der Camino selbst endet nicht, er begleitet und führt uns noch ein gutes Stück weiter - und manchmal tut er das den Rest des Lebens.

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