Und 5 Tipps, wie man trotzdem damit klar kommt.
Dies ist ein recht persönlicher Beitrag, viel persönlicher, als wir das hier sonst handhaben. Warum ich mich trotzdem dazu hinreißen lasse, dazu später mehr. Es geht ums Abschiednehmen. Von Freunden. Von Vertrauten. Und warum ich mir noch nie darüber Gedanken gemacht habe, obwohl ich mich schon so oft von lieben Menschen verabschieden musste.
Von Freunden Abschied nehmen… Wer kann das schon?
Ich muss gestehen, ich bin, was Freunde betrifft, immer ziemlich verwöhnt gewesen. Meine Freunde, die ich bereits im Kindergarten kennengelernt hatte, begleiteten mich auch in die Grundschule und ein Großteil sogar aufs Gymnasium. Somit kam ich gute 15 Jahre nie in die Verlegenheit mir überhaupt Freunde suchen zu müssen. Das erste Mal änderte sich das zum Studienbeginn. Auf einen Schlag wurden wir in alle Ecken und Winkel dieser Erde verstreut. Au-pair-Zeit, Work & Travel, Ausbildung oder eben das Studium. Zum ersten Mal war ich auf mich selbst gestellt und ich merkte schnell, dass ich absolut keine Ahnung hatte, wie man sich Freunde sucht.
Doch selbst in dieser aufregenden Phase hatte ich das Glück auf meiner Seite. Denn wie das zu Studienbeginn eben ist, war ich nicht allein alleine, sondern viele andere Erstis mit mir. Da geteiltes Leid gleich halbes Leid ist, funktionierte es erstaunlich gut, aus flüchtigen Bekannten gute Freunde zu machen. Und auch die diversen Nebenjobs um seine Reisekasse aufzubessern halfen sehr, neue Leute kennenzulernen. Die Studienjahre waren somit gesichert.
Doch der nächste Bruch ließ nicht lange auf sich warten. Auch nach dem Studium wurden wir in alle Winde verstreut. Nur eine Freundin aus der Studienzeit ist mir geblieben, die erste Katharina. Sie war mit ihrem Studium noch nicht fertig, wir hatten also eine Schonfrist.
Kaum war der letzte Lebensabschnitt beendet, stolperte ich auch schon in den nächsten, mein erster fester Arbeitsvertrag. Die Büros waren komplett neu, die Schreibtische noch nie benutzt, die Stühle rochen noch intensiv nach Leder und Plastik. Und wieder saß ich nicht allein im Boot der Einsamen. Denn wir wurden gleich im Viererpack eingestellt, vier Redakteurinnen. Da die Sitzordnung bereits festgelegt war, hatte ich keinen Einfluss darauf, mit wem ich mir wohl mein Zweipersonenbüro teilen würde. Das Schicksal war wieder auf meiner Seite, denn es handelte sich um die zweite Katharina.
Ein Jahr lang teilten wir uns den Arbeitsplatz und schnell verband uns eine schrullige und nicht zu ersetzende Freundschaft. Wie weit das ging? Naja, immerhin teilen wir uns diesen Blog, das soll schon was heißen, oder?
Jeder braucht im Leben eine Katharina – ich hatte zwei
Man sagt, dass es nicht viele Freunde sein müssen, es müssen nur die richtigen sein. Das kann ich nur bestätigen. Die zwei Katharinas haben vollkommen ausgereicht. Sicher, ich habe auch noch Kontakt zu Freunden aus der Schul- und Studienzeit, aber meine zwei Vertrauten, das sind die Katharinas, eine blond, eine brünett. Eine mit Mann und Kind, eine Single mit zwei Kaninchen. Wir trafen uns zum Einkaufen, zum Spazieren im Park, zum Schwimmen am Mittwoch, zum Brunch auf der Couch, zum Grillen auf dem Balkon. Sicher nicht täglich, auch nicht jede Woche, aber sie waren immer da. Facebook, SMS, Telefon, Flaschenpost, Brieftaube, es gab immer Wege, sich zu verabreden.
Unverhofft kommt… leider im Doppelpack
Man sagt, wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Aber das gilt ganz sicher nicht für Freundschaften. Auch wenn es in weiten Teilen gar nicht so unerwartet kam, traf es mich doch sehr, dass gleich beide Katharinas innerhalb eines Monats Leipzig den Rücken kehrten. Diesen Monat.
Bei der ersten Katharina war der Umzug schon seit Ewigkeiten in Planung und hat sich durch (für mich glückliche) Fügungen immer wieder nach hinten verschoben. Doch irgendwann musste es ja so weit kommen. Die erste Katharina packte ihren Koffer und wurde kurzerhand Richtung Norden verschifft, Usedom soll die neue Heimat heißen. So ist das eben, irgendwann ist auch das längste Studium einmal beendet. Nun trennen uns 4 Stunden und 18 Minuten Autofahrt, laut Google Routenplaner.
Bei der zweiten Katharina kam der Umzug etwas überraschender. Sie hatte unverhofft ein sehr gutes Jobangebot bekommen. Eines dieser Angebote, die man nicht ablehnen kann. In meine Freude für sie mischten sich auch gedrückte Gefühle. Denn ihre neue Heimat führte sie weit in den Süden. Genau genommen in den südlichsten Süden Deutschlands nach Bayern. In Zukunft trennen uns 4 Stunden und 16 Minuten.
Allein in der Mitte
Ich hätte wirklich nicht erwartet, dass mich das Thema so beschäftigt. So ist doch das Leben, wir begegnen uns und dann trennen sich unsere Wege wieder. Doch ganz so entspannt, wie ich Sache angehen wollte, blieb ich dann doch nicht. Zum gemeinsamen Abschied planten wir noch einmal ein Treffen im Clara-Park, doch schon Tage vorher merkte ich, wie meine Stimmung kippte. Ich war angespannt und leicht reizbar, ich konnte nicht so gut einschlafen und die Konzentration ging auch flöten. Was sollte das auf einmal? Ich freue mich für meine Katharinas, beide gehen ihren Weg, beide sind glücklich und ich bin es auch. Trotzdem nagt es an mir. Und dann wurde mir klar, woran es lag. Ich hatte mich inzwischen so oft von Freunden verabschiedet und irgendwann habe ich begriffen, dass man sich, selbst bei größter Sorgfalt, irgendwann doch aus den Augen verliert. Man besucht sich eben nicht einmal im Monat, man telefoniert eben nicht einmal die Woche und man beantwortet eben nicht jede Mail sofort. Und plötzlich sind seit dem letzten Treffen zwei Jahre vergangen.
Im Laufe der Zeit habe ich verstanden, dass sich die Erde auch ohne die geliebten Menschen weiterdreht. Das Leben und der Alltag machen keine Pause bis zum nächsten Treffen. Und irgendwann hört man auf, von den Macken der Kollegen oder der komischen Kassiererin in der Mensa zu erzählen. Die Lebenswelten verändern sich und die Bezüge gehen verloren. Mit der Zeit wird die Sammlung der Freunde immer kleiner und sie gesellen sich in die Schublade der „ehemaligen Freunde“, der „alten Schulfreunde“, der „Studienfreunde“ und der „Bekannten“.
Es ging mir die letzten Tage so miserabel, weil ich ahnte, dass auch meine beiden Katharinas diesen Weg gehen könnten. Wie lange sind wir wirklich noch Freunde, wenn sie nicht mehr mit dem Fahrrad zu erreichen sind? Nenne ich sie in zwei Jahren auch nur noch meine „Freunde aus der Leipzigzeit“?
Freunde fallen nicht vom Himmel
Ein weiterer Punkt schockierte mein Innerstes. Mir wurde klar, dass ich noch nie nach Freunden suchen musste. Sie waren ja immer schon irgendwie da. Ich musste mich nie bemühen. Aber jetzt sieht das zum ersten Mal anders aus. Mein Alltag birgt derzeit keine Überraschungen, was neue Bekanntschaften betrifft. Weder im Job noch in der Freizeit ist zu erwarten, dass demnächst eine dritte Katharina um die Ecke schlendert. Außerdem ist da noch das Alter. Ja, ja, ich weiß. 28 ist für viele sicher noch kein Alter. Trotzdem war es mit 4 im Kindergarten viel einfacher zu sagen „wollen wir Freunde sein?“ Heute stecken die mich doch in eine Anstalt, wenn ich das mache.
Der Tag des Abschieds
Wie geplant trafen wir uns bei herrlichstem Wetter im Clara-Park. Nachdem die erste Katharina mal eben noch den Frauenlauf rockte, trafen wir uns danach zum Pizzaessen vor dem Musikpavillon. Es war alles wie immer. Lustig, gemütlich, gesprächig und schrullig, so wie es sein sollte. Der Moment des Abschieds rückte näher, aber ich hatte noch einen geheimen Abschiedsgruß.
Zum Abschied überreichte ich meinen Katharinas noch ein Erinnermich, genau genommen sogar zwei. Einen Beutel mit allen Reiseutensilien, wenn man spontan wegfahren möchte, genau genommen, wenn man spontan zu mir fahren möchte und ein Fotoalbum mit all den schönen Momenten, die wir in den letzten Jahren sammeln konnten. Spätestens jetzt waren alle Dämme gebrochen. Nachdem die erste Katharina schluchzte, konnte auch die zweite Katharina ihre Tränen nicht zurückhalten. Einmal Gruppenkuscheln, dann zusammenreißen. Es war bewegend und befreiend zugleich. Ein offizieller Abschied macht es tatsächlich viel leichter, damit umzugehen.
Nichtsdestotrotz habe ich noch weitere Tipps, die den Abschied von Freunden erleichtern können.
1.Verabschieden
Wer sich von guten Freunden verabschieden muss, der sollte das auch richtig machen. Dafür reicht schon ein ungezwungenes Treffen im Park, ein gemeinsamer Brunch oder ein Spaziergang. Lass diesen wichtigen Moment nicht einfach so verstreichen, das hat die Freundschaft nicht verdient. Natürlich sollte dieses Treffen keine Trauerfeier sein. Macht das, was ihr immer getan habt und feiert die Zeit, die ihr miteinander verbringen konntet. Mit viel Humor und Herz fügt ihr eurer Freundschaft einen weiteren großartigen Moment hinzu.
2. Schreiben
Nach dem Abschied im Park und nachdem die Emotionen wieder ein wenig abkühlen konnten, wurde ich ruhiger, viel ruhiger und auch wieder nachdenklich. Ich konnte zwar mit meinem Freund darüber reden, doch die Gedanken liefen immer noch im Kreis. Ich hatte immer noch nicht damit abgeschlossen. Doch für mich gibt es einen phantastischen Ausweg aus dieser Situation. Ich schreibe. Das mache ich immer. Das habe ich schon immer gemacht. Als Kind Tagebuch. Als Jugendliche Kurzgeschichten. Als Erwachsene Fragmente und Blogbeiträge. Das Geschreibsel hilft mir, die Gedanken zu ordnen, sie herauszulassen. Das geschriebene Wort ist mein Denkarium. Habe ich einen Gedanken irgendwo notiert, besteht nicht mehr Gefahr, dass er verloren geht und ich fühle mich befreit. Es gibt mir Zeit zum Verschnaufen und lässt mich durchatmen, wenn ich das Gefühl hab, vor lauter Gedanken gleich zu platzen.
3. Sammeln
Anstatt die ganze Zeit zu jammern, was man alles verliert, sollten man sich auch kurz überlegen, was man alles bekommen hat. Ich habe den Katharinas zum Abschied Fotoalben mit all unseren gemeinsamen Augenblicken zusammengestellt. Allein das Stöbern und Suchen in alten Ordnern, die sich über Jahre auf meiner Festplatte angesammelt haben, bereiteten mir so viel Freude, dass sich die Umzüge schon glatt wieder gelohnt haben. (Aber nur fast). Außerdem ist es eine wunderbare Erinnerung.
4. Planen
Auch wenn jetzt schon klar ist, dass wir nicht jeden Monat nach Usedom oder nach Bayern fahren werden, schadet es nicht, schon einmal in den Terminkalender zu schauen, wann man denn mal vorbeischauen könnte. Im Juni und Juli sind die zwei Katharinas noch mit Ankommen, Einleben und Arbeitsplatzkennenlernen beschäftigt. Die Zeit wollen wir ihnen gönnen. Im August steht unsere große Reise an (Vorfreude pur). Der erste Termin ist auf das erste Wochenende im Oktober gefallen. Mein Geburtstag, warum diesen nicht mal in Bayern verbringen?
5. Haben
Auch wenn sich die Situation erst einmal ändert, so bist du sicher nicht allein. Während ich das hier schreibe, sitze ich auf meinem Balkon in der Sonne, schaue auf den Wald am See und rieche den Duft meiner herrlichen Blumen. Aus dem Wohnzimmer höre ich gedämpft das Gekicher und Gequietsche meiner Tochter und meines Mannes. Sie lassen mir diesen Moment, damit ich schreiben kann. Meine zwei Ms bringen mich jeden Tag zum Lachen und halten mich rund um die Uhr auf Trab. Meine Familie, mein Umfeld, meine Arbeit, meine Hobbys, mein Sport, mein Blog. Und während ich das hier schreibe, fallen mir die ganzen „meine“ auf. Mein Alltag (und schon wieder ein „mein“) sind so reich und erfüllt, dass ich mich nicht beschweren muss.
Die zwei Katharinas waren das i-Tüpfelchen und ich hatte großes Glück, diese zwei Exemplare kennenzulernen. Zwei Originale, an die keine anderen Katharinas heranreichen. Sie waren ein wichtiger Bestandteil der letzten Jahre und – was noch wichtiger ist – sie sind nicht aus der Welt.
Sie sind nur 4 Stunden und 16 bis 18 Minuten entfernt.
alldaysDesigner (Karo)
Sehr guter Blogpost! Es stimmt, je älter man wird, je schwieriger werden Abschiede. Ist man noch Anfang zwanzig, läuft das Ganze irgendwie lockerer ab. Man verliert zwar seine Klassenkameraden aus den Augen, aber lernt so schnell wieder neue Leute kennen, mit denen man den nächsten Lebensabschnitt (Studium, Ausbildung) verbringt. Ich glaube auch, wenn man älter wird, werden Beziehungen reifer und intensiver und damit die Abschiede auch einschneidender …. LG Karo
sos-janina
Hallo Karo, schön, dass wir immer mal wieder was von dir hören. Wir haben deinen Blog auch weit oben auf unserer “Immer wieder lesen”-Liste.
Ich stimme dir voll und ganz zu. Hinzu kommt, meiner Meinung nach, dass man später Freundschaften auch einfach mehr zu schätzen weiß. Ich zumindest hab sie gerade während der Schulzeit als selbstverständlich betrachtet. Naja, man lernt ja nie aus 🙂
Liebe Grüße an dich.
Janina
Ani
Hallo Janina!
…und es werden weitere Phasen und Abschiede kommen – im “Einzugsgebiet” der Ü30 wandeln sich die Interessen auch noch einmal und der Fokus liegt verstärkt auf “Kinder in die Welt setzen und sesshaft werden”.
Ich finde das alles gar nicht schlimm und ich finde deinen Beitrag herrlich ehrlich und vor allem realistisch. Ich mache derzeit die Erfahrung, dass bei dem Thema “Kinder” allerdings ganz schnell auch mal Freundschaften zerbrechen können und das ist sehr unschön.
Mit ein bisschen Realismus von beiden Seiten kann eine Freundschaft auch über weitere Distanzen und Zeiträume durchaus weiter bestehen und noch einmal eine ganz andere Tiefe gewinnen. Selbstverständliches wie ein Telefonat oder Treffen gewinnen eine Besonderheit, man freut sich (wieder) auf den anderen 🙂
Ganz liebe Grüße
Ani
sos-janina
Hallo Ani,
danke für deine Nachricht 🙂
Oh man, “Einzugsgebiet der Ü30”, das klingt ja fürchterlich 😀 Ich sehe mich eher noch beim “Ausklingen der Mitzwanziger” 😀 😀
Aber du hast schon Recht. Und dass man sich dann auch wieder richtig auf die Freunde freut, merke ich auch, wenn ich mit alten Schulfreunden wieder Kontakt habe. Selbst bei denen, die man damals auch gut und gerne mal an die Wand hätte klatschen können.
Ja, das mit den Kindern stimmt schon. In meinem Freundeskreis war ich “damals” die erste, die Nachwuchs bekam und wenn man gerade vom unbeschwerten Studenten zur Vollzeitmami wird, dann bleiben Freunde schnell auf der Strecke. Jetzt ziehen so langsam die anderen nach und es macht Spaß dabei zuzusehen, dass sie nun genauso müde sind und genauso “mamimäßig aussehen”, wie ich 🙂 vor vier Jahren.
Liebe Grüße zurück Ani
Peter Posse
– Meine Katharina heißt Frank –
Hallo, liebe SOS-JANINA,
herzlichen Dank für diesen ergreifenden Artikel, der so viel Persönliches von Dir preisgibt. Zugleich sprichst Du mir damit aus der Seele, denn auch ich kenne das, vom wichtigsten Freund getrennt zu werden – noch zu einem Zeitpunkt, wo dies wirklich endgültig erschien. Seit nunmehr 32 Jahren hat uns aber nichts je trennen können. Das wirst Du mit Deinen Katharinas auch schaffen, wünsche ich. Denn mit einem guten Freund bist Du nicht allein in der Mitte, niemals – Du stehst im Mittelpunkt. „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste was es gibt auf der Welt.“ (Heinz Rühmann u.a.)
Schade nur, dass sich Erwachsene oft das Leben selber schwerer machen. Es mag sicher manche Gründe geben, in eine Anstalt gesteckt werden zu sollen, aber doch hoffentlich nicht die Frage „Wollen wir Freunde sein?“
In diesem Sinne, liebe Grüße von Peter
… Vielleicht treffen wir uns mal in der Anstalt?
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