Als Frau auf dem Jakobsweg pilgern – und das ganz allein? In diesem Erfahrungsbericht schildere ich euch meine Erlebnisse vom Camino und was es vielleicht als Frau beim Pilgern zu beachten gilt. Gibt es irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen? Wie läuft das mit den Übernachtungen in den Pilgerherbergen und was für Frauen treiben sich überhaupt so auf dem Jakobsweg herum? Los geht es und “Buen camino”!
Wenn Frauen auf dem Jakobsweg pilgern
Das Pilgern ist schon lange keine reine Männersache mehr. Wie die schnellen Rennstrecken, den Fußball und die Chefetagen erobert die holde Damenwelt auch die Jakobswege rund um den Globus. Sie sind dabei längst keine Einhörner mehr, die sich in einer Männerdomäne behaupten müssen. Ganz im Gegenteil. Während meiner Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg in Nordspanien waren gut 50 Prozent aller Pilger Pilgerinnen – mich eingeschlossen.
Die Zahlen bestätigen es ebenfalls. Frauen haben den Jakobsweg für sich entdeckt – zurecht, würde ich meinen. Die Motivationen dahinter sind natürlich extrem unterschiedlich. Natürlich läuft ein Großteil der Pilger aus religiösen Gründen, Spiritualität ist ein wichtiger Faktor. Das ist bei Frauen und Männern sehr ähnlich. Bei den Frauen, die ich kennenlernen durfte, zeichnete sich jedoch ein eindeutiger Trend ab. Ich habe zwei Gruppen Pilgerinnen kennengelernt. Ganz genau, ich mache jetzt die Schubladen auf.
Zum einen waren da die “Geschiedenen mit Lebenserfahrung”. Davon sind mir viele begegnet, Frauen in ihren besten Jahren zwischen 40 und 50. Man könnte sagen, sie haben ihr “erstes Leben” bereits hinter sich. Eine Ehe oder Partnerschaft, die nicht standgehalten hat, Kinder, die raus aus dem Haus sind, langjährige Berufserfahrung. Sie schienen, an einem Scheidepunkt zu stehen. Die zweite Epoche ihres noch langen Lebens brach an, doch die “Klassiker der weiblichen Lebensführung” waren bereits abgeschlossen. Mann, Kinder, Haus, Job – alles erledigt und nun? Nochmal von vorne? Oder doch mal was ganz anderes? Anders als in ihrer Jugend war das Finanzielle nun nicht mehr ihre größte Sorge. Dahingehend hatten sie ihre Schäfchen bereits ins Trockene gebracht, doch es musste ein neuer Lebenssinn her. Eine neue Liebe vielleicht? Oder das besser auf keinen Fall? Für diese Frauen war (und ist) der Jakobsweg eine Reise in ihr innerstes. Sie müssen tief in sich hineinhorchen und danach lauschen, was ihrem Leben Sinn beschert und was sie wirklich glücklich macht. Es war somit auch eine Reise in ihre Vergangenheit, denn hier durften sie alles einmal infrage stellen und vor allem – sie durften sich auf sich selbst und ihre Fähigkeiten besinnen. Dafür bildet der Jakobsweg den idealen Ausgangspunkt.
Ihnen gegenüber stehen die “Küken”. Dazu zähle ich auch mich. Junge Frauen zwischen 20 und 30, ich war gerade 19 Jahre alt. Wir hatten noch nicht allzu viel, was infrage gestellt werden konnte. Ich hatte erst meine Schule beendet, den anderen ging es kaum anders. Was haben wir schon zu überdenken? Noch keine allzu ernsthaften Beziehungen, keine Kinder, kaum oder gar keine Berufserfahrung. Ihnen stehen noch alle Türen offen. Und genau hier liegt die Gefahr. In einer Welt unbegrenzter Möglichkeiten, kann frau schon einmal die Orientierung verlieren. Was soll ich tun? Was wird von mir erwartet? Was wünsche ich mir selbst? Möchte ich etwas studieren, was mich interessiert, oder sollte ich gerade als Frau in eines der MINT-Fächer reinschnuppern? Kann ich noch ein paar Jahre als Single durch die Welt jetten oder sollte ich mir so langsam mal die biologische Uhr anschauen und mir einen potenziellen Ehemann anlachen?
Diese jungen Frauen treiben keine Existenzängste, sie müssen nichts verarbeiten. Sie suchen nach der Glaskugel – in die sie wahrscheinlich gar nicht hineinschauen würden. Auch sie suchen in ihrem Innersten nach Antworten. Sie testen sich, stellen ihre Grenzen auf den Prüfstand und beweisen sich selbst, dass sie ihren Platz in der Welt finden können.
Ohne noch Weitere Stereotype zu bedienen, gab es natürlich auch noch andere Frauen, die mir auf dem Jakobsweg begegnet sich. Da waren die religiösen Sängerinnen, die zu Gott finden wollten, oder die Rentnerinnen, die sich ihren Pilgertraum erfüllten. Es gab auch Sportlerinnen, die sich in die Landschaft verliebt haben und noch einige weitere.
Von Schauergeschichten und Märchen
Ist es für Frauen gefährlich auf dem Jakobsweg? Diese Frage wurde mir sehr oft gestellt und hat mich anfangs sehr irritiert. Was soll an einer Pilgerstrecke gefährlich sein? Die nordspanische Strecke ist großartig ausgebaut. Es ist nahezu unmöglich, sich zu verlaufen oder vom Weg abzukommen oder irgendwo in der Einöde zu verdursten. Es besteht im Grunde auch keine Gefahr, irgendwo im Freien schlafen zu müssen – das ist übrigens auf weiten Teilen der Strecke sogar verboten. Das Netzwerk aus Herbergen und Refugios ist sehr engmaschig und die Laufroute lässt sich hervorragend planen. Sollte eine gewünschte Herberge mal belegt sein, gibt es alternativ auch Pensionen, Gästehäuser und Hotels oder man läuft einfach noch ein Stück weiter in den nächsten Ort.
Und was ist mit gefährlichen Übergriffen? Klar, wenn man Tante Google nach “Frauen auf dem Jakobsweg” befragt, werden sofort die schauerlichsten Geschichten ausgespuckt und ich glaube sofort, dass da jede Menge Frauen schnell wieder Abstand von ihren Pilgerträumen nehmen. Lasst euch nicht verunsichern! Ich selbst habe den Jakobsweg als sehr sicher empfunden und hatte keine Angst, dass mir etwas passieren könnte.
Unterkünfte auf dem Jakobsweg
Die Nächte verbringt man in der Regel mit einer ganzen Reihe an Pilgern, die alle ebenso müde in die winzigen Doppelstockbetten fallen wie du. In die Herbergen dürfen nur Pilger, dafür gibt es die Ausweise. Und jetzt mal ehrlich, du liegst mit 15 anderen Menschen in einem Raum. Würde da einer handgreiflich werden, würde der sofort mit 20 Pilgerstöcken im hohen Bogen hinausgeschmissen werden.
Die Pilgerrouten auf dem Jakobsweg
Auch auf dem Weg selbst habe ich mich immer sicher gefühlt. Man läuft in friedlichen Landschaften oder auch mal durch quirlige Städte. Und wirklich allein ist man auch auf der höchsten Bergspitze nicht. Spätestens ab den letzten 100 Kilometern bis nach Santiago de Compostela ist der Jakobsweg geradezu überfüllt. Es wimmelt nur so von Pilgern und man kommt gar nicht drumherum, als in Gruppen zu laufen. Was habe ich mir manchmal gewünscht, endlich wieder allein sein zu können.
Schauergeschichte mit Bild-Zeitung-Charakter gibt es selbst auf dem Jakobsweg, haben mich aber nicht aufgehalten. Verbrechen können überall auf der Welt passieren, auch vor jeder Haustür, in jeder Stadt, in jedem Dorf, in jedem Land. Absolute Sicherheit wird es nie geben. Wenn uns so etwas aufhalten sollte, dann müssten wir uns den Rest unseres Lebens im stillen Kämmerlein einschließen.
Allein oder mit Partner pilgern?
Meine Pilgerwanderung sollte ursprünglich tatsächlich so eine Pärchengeschichte werden. Da das mit unseren Urlaubs- und Ferienzeiten aber einfach nicht hinhauen wollte, habe ich kurzerhand entschlossen, nicht noch ein Jahr zu warten, sondern sofort aufzubrechen. Wenn ich zu lange warte, dann plane ich zu viel, mache mir viel zu viele Gedanken und verwerfe letztlich alles wieder und das wollte ich auf gar keinen Fall. Also bin ich ins kalte Wasser gesprungen und dazu kann ich nur jeder Frau raten. Macht das Ding alleine! Ihr habt da eh keinen Nerv für Partnerschaft oder gar Romantik. Der Jakobsweg ist jeden Tag anstrengend und ihr habt genug mit euch selbst zu tun. Ihr müsst in eurem eigenen Tempo laufen. Es funktioniert nicht, wenn einer dem anderen hinterher sprinten muss oder sich einer von beiden künstlich bremsen muss. Es läuft auch nicht jeder gleich viel. Manch einer ist nach zehn Kilometer fix und alle, andere laufen problemlos 40 Kilometer täglich.
Es ist übrigens keine Seltenheit, dass sich Paare auf dem Jakobsweg trennen. Also lasst euern Schatz mal für eine Weile zuhause. Das tut auch der Liebe nicht weh.
Sicherheit auf dem Jakobsweg
Ich hatte kein Pfefferspray oder dergleichen dabei und hätte mich wahrscheinlich nur jeden Tag geärgert, dass ich es als zusätzliches Gewicht mit mir herumschleppen müsste. Ich habe auch keine Frau getroffen, die sich in irgendeiner Form bewaffnet hätte. Die Pilger auf dem Jakobsweg bilden eine Gemeinschaft. Man grüßt sich entlang des Caminos, man hilft sich gegenseitig. Es ist eine unglaublich freundliche und wohlwollende Kultur. Ähnlich habe ich es auch später beim Couchsurfing empfunden – und da schläft man bei wildfremden Menschen auf dem Sofa. Lasst euch nicht von Schauergeschichten abschrecken.
Solltest du dennoch ein mulmiges Gefühl haben, so kannst du relativ einfache Maßnahmen ergreifen. Du kannst in Gruppen laufen. Das ist nicht schwer, es sind immer genug Pilger unterwegs. Man kommt sehr schnell in Gespräch und Pilger sind gesellig – auch beim Laufen. Wer den Herbergen nicht traut, kann sich auch ein Hotelzimmer nehmen. Wobei ich mich hier schon frage, ob es sicherer ist, einsam und allein durch lange Hotelflure zu schleichen als mit zehn anderen Pilgern in einem Raum voller Stockbetten Karten zu spielen. Aber das ist Geschmackssache. Es schadet aber sicher nicht, wenn man sich in kleinen Schritten an das Pilgern heranwagt und so Vertrauen fasst. Du wirst sehen, nach zwei oder drei Nächten im Hotel wird dir die Gesellschaft der Pilger fehlen und schon sitzt du an herrlich eingedeckten Tischen und ihr esst gemeinsam euer Herbergsabendessen.
Meine Erfahrung auf dem Jakobsweg
Ich hoffe, ich konnte dir mit meinem kleinen Erfahrungsbericht vom Jakobsweg einen kleinen Einblick in das “Pilgern für Frauen” geben. Noch heute zählen diese Wochen zu den schönsten Erinnerungen in meinem Leben und ich freue mich immer sehr, wenn auch andere nach Spanien oder Frankreich oder Portugal oder innerhalb Deutschlands zum Pilgern aufbrechen. Es lohnt sich und gerade Frauen schöpfen so viel Kraft und Energie aus dieser Erfahrung. Wenn du noch Fragen oder Anmerkungen hast, stell sie gerne in die Kommentare und ich werde sie beantworten.
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