„Travel bug“ oder „itchy feet“ – für das Fernweh gibt es in der englischen Sprache so manch wunderliche Übersetzung. Am interessantesten und wohl treffendsten ist jedoch die Variante „wanderlust“. Ganz im Ernst, Fernweh bedeutet im Englischen Wanderlust und damit kommen wir gleich zur Sache. Ist Wandern ein Mittel gegen Fernweh? Und wie ließe sich das im Alltag unterbringen?
Was bedeutet Fernweh?
Hast du gewusst, dass das englische Wort für Fernweh „wanderlust“ heißt? Uns ist das eigentlich auch erst so richtig klar geworden, als wir mit der Planung begonnen haben, SOS-Fernweh auch für unsere englischsprachigen Leser fit zu machen. Obwohl wir sowohl beruflich als auch privat immer wieder mit der englischen Sprache konfrontiert werden, war uns bisher nicht klar, was Fernweh heißt. Als wir dann auf die Übersetzung „wanderlust“ gestoßen sind, war unser Interesse geweckt und sofort fiel mir dazu ein, dass Katja von wellness-bummler.de ganz aktuell ein sehr passendes Thema dazu hat. Sie wirft nämlich folgende Frage in den Raum:
Macht Wandern glücklich?
Was fällt mir zum Wandern ein? Als Kind war ich nur selten wandern und wenn, dann meist nicht freiwillig. Ob beim Familienurlaub oder auf Schulausflügen der „Wandertag“, bei mir konnten Wanderungen keine Begeisterungsstürme auslösen. Eher war das genaue Gegenteil der Fall. Wandern bedeutete für mich, sinnlos im Gänsemarsch zu traben, schmerzende Füße zu bekommen und so sehr zu schwitzen, dass das Essen auf der Bergspitze auch nicht mehr zu genießen war. Am schlimmsten aber war der Rückweg. Erst musste ich mühsam den Berg hinauf, nur um ihn kurz darauf wieder hinunter zu klettern. Ich gebe es zu, ich habe in diesen Jahren eine Aversion gegen den Rückweg entwickelt. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, ich hasse Rückwege. Ich vermeide sie sogar in meinem Alltag. Wenn ich einen Weg zum Supermarkt gehe, nehme ich stets einen anderen Weg, um wieder nach Hause zu kommen. Niemals gehe ich den gleichen zurück, den ich bereits gekommen war. Somit fiel auch meine erste Assoziation zum Thema Wandern in Anbetracht meiner frühesten Kindheitserinnerungen eher bescheiden aus. Allerdings kam mir auch sofort in den Sinn, dass sich meine Einstellung zum Wandern bereits in meiner Jugend drastisch verändert hatte und auch mein Fernweh-Verhalten extrem beeinflusst hat. Das Abenteuer beginnt…
Haben Wanderer Fernweh?
Mit 19 beendete ich meine Schulausbildung mit dem Abitur, in nur wenigen Monaten sollte ich mein Studium an der Universität Leipzig beginnen. Zuvor hatte ich noch ein Praktikum in einer Medienabteilung vor mir. So weit so gut, sollte man meinen. Doch ausgerechnet in dieser Phase meines jungen Lebens war gar nichts gut. Der im Grunde sehr geradlinige Weg, den ich bisher gegangen war, reichte mir plötzlich nicht mehr und ich stellte mir bereits jetzt die Frage, ob es das nun schon gewesen sein sollte. Damals bekam ich zum ersten Mal deutlich zu spüren, was Fernweh wirklich bedeutet. Es hatte mich knallhart erwischt. Ich wollte raus, die Welt sehen, vielleicht erobern, oder auch nicht, diesmal sollte nichts geplant werden. Ich wollte einfach mal alles auf mich zukommen lassen, endlich einmal abseits des geraden Weges wandeln und Dinge erleben, die meinen bisherigen Horizont weit übersteigen. Der Drang wurde so stark, dass dringend Handlungsbedarf bestand, sonst wäre ich vermutlich geplatzt. Wie genau ich dann auf die Idee mit dem Jakobsweg gekommen bin, kann ich heute gar nicht mehr rekonstruieren. Aber kaum hatte sich der Gedanke in meinem Kopf festgesetzt, ließ er mich nicht mehr los und in einem Anflug von Größenwahn buchte ich ohne Rücksicht auf Verluste mein Flugticket in den Norden Spaniens. Keine Lauferfahrung, geschweige denn das richtige Schuhwerk oder gar einen ordentlichen Rucksack im Gepäck, brach ich ganz heimlich auf und fand von diesem Moment an meine Wanderlust. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die Details meiner Jakobswegerfahrung eingehen, das werde ich noch in einem extra Beitrag genauer erläutern, aber ich möchte sagen, dass diese Wochen allein in einem Land, dass ich vorher nur aus dem Pauschalurlaub kannte, und dessen Sprache ich nicht verstand, zu den besten Erfahrungen meines Lebens gehört. Und sie hat meine Einstellung zum Thema Wandern grundlegend geändert.
„Der Weg ist das Ziel“, diese geflügelten Worte bekamen für mich eine ganz neue Bedeutung. Vor allem, als ich das Ziel erreichte, spürte ich, dass es gar nicht um Santiago de Compostela ging, sondern von Anfang nur um den Weg selbst. Fernweh ist nicht unser Wunsch, an einem bestimmten Ort zu sein, sondern viel öfter, das Unterwegs sein an sich. Fernweh bedeutet auch Angst vor Stillstand, vor Routine und Vorhersehbarkeit. Entdecken wir unbekannte Orte, betreten wir Neuland und finden wir Menschen, Bräuche und Plätze, die wir noch nicht kannten, verspüren wir auch kein Fernweh. Mit diesem für mich sehr wertvollen Fazit konnte ich gelassen wie eine Buddhastatue meinen Jakobsweg beenden und in die Heimat zurückkehren – freilich auf einem anderen Weg, als der, auf dem ich gekommen war, so viel Zeit muss sein.
Die Zeit auf dem Jakobsweg hat mich gelehrt, dass das Wandern eine ideale Möglichkeit ist, meinem Fernweh zu begegnen. Und das Beste daran: Wandern kann man überall und mit einem nicht allzu löchrigem Regenponcho auch zu jeder Jahreszeit. Hinzu kommt, dass ich als Pilger oder eben Wanderer glücklich bin. Das Unterwegssein ist so befreiend, dass auch nach der Spanienzeit die Wanderung einen festen Platz in meinem Leben bekommen hat. Und somit ist die Frage, ob Wandern glücklich macht, nur mit Ja zu beantworten. Denn Wanderer haben kein Fernweh. Wanderer handeln aktiv gegen Fernweh.
Wie hilft Wandern gegen Fernweh?
Aber was genau passiert mit uns, wenn wir wandern? Wieso schüttet diese Bewegung Glückshormone aus und lässt unser Fernweh vergessen? Warum hat der Jakobsweg, der bei mir vor allem Blasen an den Füßen, sonnenverbrannte Schultern, eine Sehnenentzündung im Fuß und geschundene Kniegelenke zu verschulden hat, bis heute eine so nachhaltige Wirkung auf mich? Wenn mich jemand fragt, ob ich den Weg noch einmal gehen würde, antworte ich jedes Mal ohne zu zögern mit Ja. Ja und beim nächsten Mal nicht nur 330 Kilometer, sondern 800.
Der Weg nimmt dir alles, doch er gibt es dir dreifach wieder zurück
Dieser Satz ist mir auf dem Weg begegnet. Eine Pilgerin aus Kanada hatte ihn beim Abendessen ausgesprochen und ein einheitlich zustimmendes Gemurmel geerntet. In der Tat, so erschöpft und von Schmerzen geplagt ich mich abends auch ins Bett gelegt hatte, am nächsten Morgen konnte ich schon in aller Frühe putzmunter und gestärkt wie ein junges Reh aus den Federn springen und meinen Weg fortsetzen. So anstrengend der lange Fußmarsch auch war, jeden Tag aufs Neue wurden wir mit neuer Kraft versorgt – ein Phänomen, dass ich mir bis heute nicht erklären kann. Und somit drängt sich doch die Frage auf, was mit uns passiert, wenn wir wandern?
Eine Wanderung ist ein Ausbruch aus der Routine, allein das löst in vielen von uns körperliche wie auch seelische Entspannung aus. Die Bewegung an der frischen Luft in der Natur ist zudem sehr gesund, wir können frei atmen und uns zur Abwechslung mal ganz auf unseren Körper konzentrieren. Wenn wir dann auch noch neue Dinge oder eine malerische Landschaft vor Augen haben, die unser Interesse weckt oder positive Emotionen in uns hervorrufen, haben wir das perfekte Rezept zum Glücklichsein gefunden.
Rezept zum Glück:
- Raus aus der Routine
- Frische Luft und Natur
- Bewegung
- Angenehme Umgbung
Daneben gibt uns eine Wanderung auch die Gelegenheit, die Gedanken schweifen zu lassen. Wenn wir laufen und uns nicht ablenken lassen müssen von Straßenlärm, Werbung, Musik oder Gesprächen, kann auch der Geist entspannen und auf Reisen gehen. Somit habe ich nichts dagegen, auch mal alleine unterwegs zu sein. Das Handy gehört lautlos in den Rucksack verbannt. Kein Klänge aus den sonst obligatorischen Kopfhörern oder ähnliches finden nun Zugang zu meinen Gedanken. Sobald ich dann die ersten paar hundert Meter gelaufen bin, beginnt auch die Wanderung durch den eigenen Kopf und tatsächlich entstehen dabei oftmals die besten Ideen. Ganz ohne Zwang, ganz ohne Recherche, Brainstorming oder Meeting. Wandern ist somit eine Wohltat für unseren Geist und eine enorme Inspirationsquelle.
Tipps für Wanderungen in deiner Umgebung
Das Schöne am Wandern ist, dass es tatsächlich überall möglich ist. Vor allem aber in Deutschland kann eine Wanderung wirklich überall direkt vor der Haustür beginnen. Sogar meine mir so lieb gewordene Jakobsmuschel ist an vielen Orten zu entdecken. Das Wandernetz in Deutschland ist enorm dicht und sehr gut ausgebaut. Es gibt zahlreiche Wanderführer und ein großartiges Kartennetz. Außerdem gibt es für Wanderungen kein Zeitlimit. Ob nun eine Stunde durch den Wald oder tagelang von Berlin bis an die Ostsee – hier stehen alle Tore offen. Wer bisher noch nicht oft gewandert ist, kann ruhig klein anfangen und sich langsam steigern. Mir persönlich gefallen die deutschen Weinstraßen wie zum Beispiel die in und um Meißen sehr gut. Am Fluss entlang durch Feld und Tal mit Blick auf die Weinberge kann man wunderbar abschalten und die traumhafte Umgebung auf sich wirken lassen. Zwischendurch schadet es nicht, in die eine oder andere Weinstube oder auf eine Sonnenterrasse einzukehren und sich mit einem herrlichen Tropfen aus der Umgebung zu stärken. Doch auch sonst lässt sich eine Wanderung gut in den Alltag einbauen. Viele Wege, die wir für gewöhnlich mit dem Auto fahren, lassen sich eigentlich auch gut zu Fuß bewältigen. Für mich hat sich dabei der Arbeitsweg bewährt. So habe ich noch ein paar Glücksmomente ganz für mich, ich lasse mich von der frischen Morgensonne wach kitzeln bevor ich mich auf die Büroroutine einstelle.
Natürlich sind Wochenenden noch besser geeignet für eine ausgiebige Wanderung. Sogar eine Zwei-Tagestour mit einer Übernachtung ist möglich. Dabei entdecke ich wieder Orte, die ich sonst nie gesehen hätte und treffe Menschen, die ich heute nicht mehr missen möchte. Fernweh hat dabei gar keine Chance, denn so lange ich unterwegs sein kann, bin ich glücklich – vorausgesetzt, der Rückweg, ist ein anderer…
Birgit Terletzki
Liebe Janina,
welche eine tolle Beschreibung und in vielen Dingen ergeht es mir genauso. Doch der Spruch “Der Weg nimmt dir alles, doch er gibt es dir dreifach zurück” – das kann ich genauso bestätigen.
Danke für Deine Sichtweise zum Thema Wandern.
Liebe Grüße
Birgit
sos-janina
Ja, der Spruch bewahrheitet sich immer wieder. Egal ob Jakobsweg in Spanien oder Wanderroute durch Deutschland =)
Reto
Hallo Janina
Danke für diesen ausführlichen und interessanten Einblick zu der Frage ob wandern glücklich macht. Interessant finde ich, dass viele der Teilnehmer an der Blogparade beim Wandern inspiration finden und auf neue Ideen kommen. Ganz einfach, ohne irgendwelches zutun. Einfach laufen, die Gedanken abschalten und die Ideen aufnehmen, welche da so rein kommen. Falls du meinen Post zu dem Thema lesen möchtest findest du diesen hier – http://irlanderleben.net/wandern_macht_gluecklich/
Grüne Grüsse aus Irland
Reto
sos-janina
Hallo Reto,
ich finde es auch erstaunlich, dass das Wandern auf viele von uns so eine enorme Wirkung hat. Aber wenn man wieder darüber nachdenkt, ist es gar nicht so erstaunlich. Heute muss immer alles schnell und schneller gehen. Kein Wunder, dass wir uns da nach Entschleunigung sehnen und zu Fuß durch die Landschaft streichen, ist ja wohl die beste Methode.
Liebe Grüße nach Irland =)
P.s. Wow, Irland. Das steht seit Jahren auf meiner Reiseplanliste. Die Natur ist einfach fantastisch. Kein Wunder, dass du da gerne wandern gehst 😉
Zu Gast in Österreich | SOS-Fernweh - Der etwas andere Reiseblog...
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